Ein Beitrag von Stefan Scheller
Fachbereiche und deren Hiring Manager sehen Personaler und deren unterstützende Dienstleister oft mit einer ganz speziellen Brille. Die Recruiting-Abteilung ist demnach Auftragnehmer im Prozess der Personalgewinnung. Der Personaldienstleister eine Art Subunternehmen. Oft vergessen wird dabei, welche wichtigen Mitwirkungspflichten der Fachbereich im Recruiting-Prozess hat. Kritische Einblicke in die Praxis.
Risiken für den Erfolg im Recruiting zeigen sich oft schon ganz früh im Prozess. Denn in vielen Fällen fehlt es bereits an einer strategischen Personalplanung. Viel zu häufig werden Adhoc-Beschaffungsaufträge an Personaldienstleister übergeben, ohne dass vorab bei der gesuchten Zielgruppe jemals Employer Branding Massnahmen angekommen sind. Je frühzeitiger ein Fachbereich einen Bedarf in einer konkreten Zielgruppe erkannt hat, umso besser für den Erfolg der Personalgewinnung.
Ein weiteres Risiko entsteht, wenn es mit dem Besetzungsprozess losgeht. Nicht erst seit der HR Digital Studie 2019 dürfte bekannt sein, dass unterschiedliche Zielgruppen ebenso unterschiedlich anzusprechen sind. Denn nachgewiesenermassen lesen Jobsuchende Stellenanzeigen nicht von A-Z durch, sondern fokussieren auf für sie wesentliche Kernaussagen. Damit ist auch für die Ansprache durch Headhunter klar, dass das Briefing durch das Unternehmen an dieser Stelle sehr klar sein sollte.
Insofern lauern bei der konkreten Zuordnung von gesuchten Profilen nicht zu unterschätzende Gefahren für den Erfolg der Personalgewinnung. Die Zuordnung zu einem marktgängigen Berufsprofil oder einer Zielgruppe ist dabei elementar. Denn je allgemeiner Fachbereiche mit Stellenausschreibungen unterwegs sind, um so mehr unpassende Bewerbungen werden sie erhalten. Das erschwert auch den Headhuntern die Arbeit.
In meinem Beitrag “Wie Sie den Erfolg Ihrer Stellenanzeigen deutlich steigern” habe ich dazu bereits ausführlich Hinweise gegeben. Und dabei auch den provokanten Tipp gegeben „unpassende Bewerber abschrecken“.
Auch wenn der Fachbereich mit Blick auf die erfolgte interne Stellenbeschreibung einen textlichen Vorschlag für die mögliche Stellenbeschreibung unterbreitet, ist dieser sehr genau zu prüfen. Insbesondere sogenannte Containerbegriffe, wie „Referent“ oder „Organisator“ sowie jegliche Stellenbezeichnungen auf Basis von internen Abkürzungen sollten Sie umgehend hinterfragen und anpassen. Suchalgorithmen, egal ob auf Stellenbörsen, bei Google for Jobs oder in der Ansprache durch Headhunter, können Ihrer Stellenbeschreibung nur Sichtbarkeit verschaffen, wenn die Beschreibung eindeutig kategorisiert werden kann.
Hiring Manager in den Fachbereichen fokussieren noch zu oft auf die sogenannte eierlegende Wollmilchsau. Gesucht wird dabei der „best match“, also diejenige Person, die alle in der Anforderungsanalyse genannten Eigenschaften par Excellence aufweist.
Abgesehen davon, dass es solche Job-Helden mit gleichermassen perfekter Passung zum Unternehmen, zum Job und zur entsprechenden Gruppe nur extrem selten geben dürfte. Häufig werden dabei auch sehr schwierig miteinander vereinbare Kompetenzen und Skills gesucht.
So werden in einigen Branchen Mitarbeiter (m/w/d) als Berater im Rahmen des Service (qualifizierte Callcenter-Hotline) gesucht. Dabei benötigen diese sehr spezielle Kenntnisse. Beispielsweise besondere technische Skills. Im Fachbereich ist der Wunsch nach einem IT-Experten an der Hotline schnell formuliert. Entweder wird eine besonders Hotline erprobte und Technik affine Person gesucht, beispielsweise ein Kaufmann für Dialogmarketing, dem entsprechende IT-Kenntnisse beigebracht werden. Oder aber ein Software-Entwickler, der entwickeln darf, aber auch Support-Anfragen zusätzlich beantwortet. Beides in einer Person ist eher selten zu finden, so dass sich der Stellenbesetzungsprozess lange hinziehen kann.
Eines der in der Praxis häufigsten zu beobachtenden Phänomene im Recruiting ist die überlange Antwortzeit der Fachbereiche auf die durch Headhunter präsentierten Profile. Moderne Bewerber Management Systeme (ATS) bieten hierfür sogar eine Anzeigemöglichkeit und markieren solche Verzögerungen mit „Zeitüberschreitung Fachbereich“. Immer dann, wenn die hinterlegte Anzahl an Tagen für die Rückmeldung überschritten wird. Im Regelfall ist das eine Kalenderwoche.
Zahlreiche Unternehmen haben mit Blick auf die Candidate Experience begonnen, ihre Fachbereiche strenger an die Hand zu nehmen. Erfolgen Rückmeldungen nicht innerhalb des vereinbarten Zeitraums, werden die Bewerbungen entweder an andere Fachbereiche, die vergleichbare Profile suchen, zur Sichtung weitergegeben. Oder aber es erfolgt einfach eine Einladung durch das Recruiting, alternativ eine komplette Absage.
Schon die Personaler haben manchmal noch mit der alten „Gatekeeper-Mentalität“ zu kämpfen. Dabei sollte allen Beteiligten, insbesondere dem am Gespräch beteiligten Fachbereich, bewusst sein, dass viele Bewerber ihre Erlebnisse nur allzu gerne auf Bewertungsportalen wie Kununu oder Glassdoor teilen.
Es mag wie eine Binsenweisheit klingen. Sobald Sie sich für einen Kandidaten entschieden haben, handeln Sie schnell. Zu lange Prozesse bei der Vertragserstellung oder dem internen Unterschriftsprozess haben schon den einen oder die andere Top-Kandidatin kurz vor Schluss abspringen lassen.
Sie werden feststellen, dass Sie schon mit diesen wenigen Tipps, die Zusammenarbeit zwischen dem Fachbereich, Ihnen als Personaler und dem Headhunter deutlich erleichtern können. Der Recruiting-Erfolg wird Ihnen Recht geben.